Pflicht zur Zustimmung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung

06.08.2020

Die Pflicht zur Zustimmung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung kann auch nach der Trennung bestehen

Ein Ehepaar hatte sich 2014 getrennt, aber erst 2017 scheiden lassen. Die Frau verlangte seit 2015 von ihrem Ehemann mehrfach erfolglos die Zustimmung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung für die Jahre 2013 und 2014. Bei einer gemeinsamen Veranlagung wäre die Nachzahlung für sie deutlich niedriger ausgefallen. Daher verlangte die Frau Schadenersatz im Hinblick auf ihren Steuerschaden.

Das Oberlandesgericht Celle gab der Klägerin Recht (Beschluss vom 2. April 2019 – 21 UF 119/18). Sie habe Anspruch auf Schadenersatz gegen ihren Ex-Mann. Dieser hätte den gemeinsamen Steuerveranlagungen für 2013 und 2014 zustimmen müssen. Die Zustimmungspflicht ergebe sich, weil seine Ex-Frau entlastet worden wäre, ohne dass die Mitwirkung für ihn eine zusätzliche Belastung bedeutet hätte.

Kommentar MUNKERT & PARTNER

Auf Grundlage der steuerrechtlichen Vorgaben besteht keine Verpflichtung der Ehegatten (weder wechselseitig, noch gegenüber der Finanzbehörde), einer Zusammenveranlagung zuzustimmen. Aus dem Blickwinkel des Steuerrechts ist es letztlich Sache der Beteiligten, sich im Innenverhältnis auf eine gemeinsame Veranlagung zu verständigen.

Allerdings kann sich – wie hier – außerhalb der steuerrechtlichen Vorgaben eine familienrechtliche Verpflichtung der Ehegatten zur gemeinsamen Veranlagung ergeben, bei der – je nach Einzelfall bzw. Zeitpunkt – ggf. ein etwaiger sog. Nachteilsausgleich stattfinden muss, von dem die Zustimmung (Zug-um-Zug) abhängig gemacht werden kann.

Mit anderen Worten ist eine solche (zivilrechtliche) Zustimmungspflicht zur Zusammenveranlagung auf Grundlage des Prinzips der ehelichen Solidarität insbesondere dann denkbar, wenn sich infolge der Zusammenveranlagung die Steuerschuld des einen Ehegatten verringert und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehegatte keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt ist. Im Allgemeinen wird hierzu vertreten, dass sich aus dem Wesen der Ehe eine Verpflichtung beider Ehegatten dahingehend ergibt, finanzielle Belastungen des anderen jeweils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist.

Rechtstechnisch ist eine solche Verpflichtung betreffend die Zustimmung zur Zusammenveranlagung aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB ableitbar, wonach sich im Sinne einer Vermögensfürsorgepflicht der bereits oben angesprochene Grundsatz ergibt, dass aus dem Wesen der Ehe in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben § 242 BGB für beide Ehegatten die Verpflichtung zur Minimierung der finanziellen Lasten des jeweils anderen folgt, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist (u.a. BGH NJW 83, 1545; 84, 2040). Hierzu gehört im steuerrechtlichen Bereich grundsätzlich die Pflicht zur Mitwirkung einer gemeinsamen steuerlichen Veranlagung (u.a. BGH FamRZ 02, 1024; 03, 1454; 07, 1229; 10, 269).  

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass nach Auffassung der Rechtsprechung die uneingeschränkte Pflicht zur Zustimmung nur die Zeit betrifft, in welcher die Ehegatten – wie im entschiedenen Fall betreffend die Jahre 2013 und 2014 – noch zusammengelebt haben. Für die Zeit des Getrenntlebens wird eine solche Pflicht nur angenommen, wenn der die Zustimmung begehrende Ehegatte sich verpflichtet, den anderen Ehegatten von einer eventuellen Mehrbelastung freizustellen. Die Auswirkung einer im Einzelfall vorliegenden Steuerklassenwahl ist in diesem Kontext jeweils zu prüfen. Die Rechtsprechung des OLG Celle im vorgenannten Beschluss wurde inzwischen durch weitere zivilgerichtliche Entscheidungen, wie beispielsweise durch das Oberlandesgericht Koblenz (Beschluss vom 12. Juni 2019 – 13 UF 617/18) bestätigt.


(Bitte beachten Sie, dass diese Informationen nur den Stand (06.08.2020) der Sachlage abbilden. Wir haben diese Informationen nach bestem Wissen und Gewissen für Sie zusammengestellt und halten Sie auf dem Laufenden. Selbstverständlich können diese Kurzinformationen eine Steuer- und Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen.)


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