Ein Beitrag von
Jürgen Großkopf-Dibs,
Partner bei MUNKERT & PARTNER
Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth), Rechtsanwalt, Steuerberater
Im Hinblick auf die Erbschaftsteuerbefreiung des Erwerbs eines Familienheims durch Kinder nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 23.02.2021 (Az. BFH II R 29/19) nunmehr zum ersten Mal entschieden, wie das Grundstück, auf dem sich das Familienheim befindet, zu definieren ist.
Im entschiedenen Fall beerbte die Klägerin ihre Mutter als Alleinerbin. Im (Mit-)Eigentum der Mutter standen zwei aneinander angrenzende Flurstücke, die im Grundbuch auf verschiedenen Grundbuchblättern verzeichnet sind. Auf dem Flurstück A befindet sich ein Einfamilienhaus, in dem die Mutter der Klägerin zu Lebzeiten eine Eigentumswohnung selbst bewohnte. Das Flurstück B ist hingegen unbebaut. Nach dem Vortrag der Klägerin seien die Grundstücke als „Wohnhausgrundstück mit Garten“ genutzt worden. Nach Eintritt des Erbfalls nutzt die Klägerin die beiden Grundstücke ebenfalls zu Wohnzwecken und macht daher für beide Grundstücke die steuerliche Begünstigung für Familienheime nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG geltend. Nach Auffassung des beklagten Finanzamts war die vorgenannte Steuerbefreiung jedoch nur für die Eigentumswohnung auf dem Flurstück A zu gewähren, da die Steuerbefreiung nicht für Grundstücke gewährt werden könne, bei denen es sich um selbstständige wirtschaftliche Einheiten handele und die nicht bebaut seien.
Bereits in der Vorinstanz waren die Richter des Finanzgerichts München (Urteil vom 05.04.2018 – 4 K 2568/16) der Auffassung, dass eine Steuerbegünstigung für das nicht bebaute Flurstück B nicht zu gewähren sei. Dabei stellte es maßgeblich auf die zivilrechtlich orientierte Prägung des ErbStG ab und führte aus, dass das Flurstück B nach zivilrechtlichen Kriterien als räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche gesondert zu würdigen sei und daher nicht von der Begünstigung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG erfasst sei. Diese Einschätzung orientierte sich maßgeblich an der bisherigen Rechtsprechung des BFH, die ebenfalls eine sehr enge, am Wortlaut orientierte Auslegung fordert und zivilrechtliche Maßstäbe anlegt.
Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen und damit die Entscheidung des Finanzgerichts München bestätigt. Dabei führt er aus, dass die Begünstigungsregelung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG keine nähere Vorgabe dazu enthält, in welchem Umfang der zu der Wohnung gehörende Grund und Boden an der Begünstigung teilhat. Nach Auffassung des BFH kommt dabei einerseits das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne, somit ein vermessener, im Liegenschaftskataster bezeichneter Teil der Erdoberfläche in Betracht oder andererseits die „wirtschaftliche Einheit“ im Sinne des § 2 Abs. 1 BewG.
Für eine Anknüpfung an zivilrechtliche Grundsätze und eine damit verbundene Bestimmung des Grundstücksbegriffs spricht nach Auffassung des BFH die allgemeine bürgerliche Prägung des ErbStG. Andererseits sind nach den Urteilsgründen gem. § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 157 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BewG für Zwecke der Erbschaftsteuer für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens die Grundbesitzwerte gesondert durch das Belegenheitsfinanzamt festzustellen. Letzteres darf zwar nicht darüber entscheiden, ob die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG zu gewähren ist, allerdings ist diese Feststellung über die wirtschaftlichen Einheiten als Grundlagenbescheid für die spätere Steuerfestsetzung bindend. Somit ist nach Auffassung des BFH die Beurteilung der Entscheidung über das Vorliegen von einer oder mehreren Einheiten nur durch Anfechtung des Wertfeststellungsbescheids angreifbar.
Der BFH musste nicht entscheiden, ob sich die Definition des Grundstücks auf zivilrechtlicher Grundlage des BGB oder nach den Grundsätzen des BewG ergibt, da sowohl die katastermäßige Selbstständigkeit eines Grundstücks als auch die Bindung aufgrund des vorliegenden Feststellungsbescheids jeweils auch isoliert betrachtet zu einer Versagung der begehrten Begünstigungsregelung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG geführt hätte.
Diese erstmalig durch den BFH entschiedenen Grundsätze zur Definition des Grundstücks im Rahmen des Erwerbs eines Familienheims gelten ebenso für den begünstigen Erwerb eines Familienheims durch den überlebenden Ehegatten nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG. Als Kernaussage des BFH lässt sich festhalten, dass bei Vorliegen eines nach zivilrechtlicher Betrachtung grundbuchrechtlich eigenständigen Flurstücks, das überdies als eigene wirtschaftliche Einheit durch einen entsprechenden Wertfeststellungsbescheid rechtskräftig bewertet wurde, nur dieses Grundstück für die Steuerbefreiung eines Familienheims in Betracht kommt. Eine hiervon abweichende Behandlung (auch im Rahmen einer Feststellungserklärung) dürfte damit kaum Erfolg haben. Es könnte nun angedacht werden, in vergleichbaren Fallgestaltungen (rechtzeitig!) eine Vereinigung von Flurstücken vorzunehmen. Dabei wäre jedoch zwingend zu beachten, dass eine solche Vereinigung dazu führt, dass auch nach den Vorgaben des BewG von einer wirtschaftlichen Einheit auszugehen ist und dass nach der Vereinigung keine gesonderte Belastung der vormals einzelnen Grundstücke mehr möglich ist.
Weiteres aus Aktuelles/News
Bei der Lieferung von Strom, den der Vermieter von Wohnraum über eine Photovoltaikanlage selbst erzeugt und an seine Mieter gegen Entgelt abgibt, handelt es sich nicht um eine unselbstständige Nebenleistung der umsatzsteuerfreien (langfristigen) Vermietung von Wohnraum, sondern um eine selbstständige umsatzsteuerpflichtige Leistung.
Ein bereits vor der Erzielung von Ausgangsumsätzen als Ausstellungsstück für ein Autohaus erworbener sog. Supersportwagen (Porsche) kann eine Eingangsleistung sein, wenn die Verwendungsabsicht hinreichend belegt ist.
Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat am 15.10.2024 das Schreiben „Ausstellung von Rechnungen nach § 14 UstG – Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnung bei Umsätzen zwischen inländischen Unternehmern