Bei einer Kapitalgesellschaft können die an die Gesellschafter gehenden Gewinnanteile erst nach einem Gewinnausschüttungsbeschluss zufließen. Im Zeitpunkt des Zuflusses ist dann auch die Versteuerung vorzunehmen. Das Interesse der Gesellschafter am Zeitpunkt des Zuflusses kann durchaus unterschiedlich sein, je nach den steuerlichen Verhältnissen. Wenn die Satzung der Gesellschaft (in Deutschland überwiegend die GmbH) es zulässt, dass Ausschüttungen an die einzelnen Gesellschafter zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen können, kann dies per Beschluss so gehandhabt werden. Ein solcher Fall lag dem Bundesfinanzhof (BFH) zur Entscheidung vor.
An der GmbH waren ein Mehrheitsgesellschafter und mehrere Minderheitsgesellschafter beteiligt. Nach Ablauf des Geschäftsjahres stellten die Gesellschafter den Jahresabschluss fest und beschlossen eine Ausschüttung nur an die Minderheitsgesellschafter. Der entsprechende rechnerische Gewinnanteil für den Mehrheitsgesellschafter wurde in dem Beschluss einem persönlichen Rücklagenkonto zugewiesen. Diese Handhabung entsprach der Satzung. Das Finanzamt rechnete die Rücklagenzuführung aber dem Mehrheitsgesellschafter als Gewinnanteil zu. Auch das angerufene Finanzgericht vertrat die Auffassung, dass einem beherrschenden Gesellschafter die Dividende bereits mit dem Beschluss über die Gewinnverwendung zugeflossen sei, da die GmbH die Liquidität zur Ausschüttung hatte.
Der Streit kam vor den BFH. Dieser stellte zunächst fest, dass die Handhabung der GmbH-Satzung entsprochen hatte, sie war also gesellschaftsrechtlich zulässig. Ein zulässiger Ausschüttungsbeschluss ist nach Auffassung des BFH auch steuerrechtlich wirksam. Der Umstand, dass die Rücklage nur dem Mehrheitsgesellschafter zuzurechnen sei und er in einem späteren Beschluss kraft seiner Stimmenmehrheit jederzeit die Ausschüttung beschließen kann, verändert den zivilrechtlichen und steuerlichen Zuflusszeitpunkt nicht. Es liegt hier auch kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vor. Der Gesellschafter hat vor dem weiteren Ausschüttungsbeschluss auch keine Zahlungsforderung an die GmbH. Dieses Urteil lässt daher rechtssicher unterschiedliche Zeitpunkte des Gewinnzuflusses für die einzelnen Gesellschafter je nach ihren
steuerlichen Interessen zu.
Hinweis
Im Regelfall erfolgt die Besteuerung durch die sog. Abgeltungsteuer (Kapitalertragsteuer zzgl. Soli zzgl. ggf. KiSt). Da die Besteuerung durch die ausschüttende Gesellschaft erfolgt, ist die zeitliche Komponente für den Gesellschafter wenig von Interesse.
Interessant für die Gesellschafter ist das Urteil dahin gehend, dass die Gesellschaft nicht vollumfänglich den Gewinn ausschütten muss. So kann z. B. die Bruttodividende für den Mehrheitsgesellschafter in der Gesellschaft verbleiben und gleichzeitig die Mindergesellschafter durch Gewinnausschüttungen „bei Laune“ gehalten werden, ohne dass der Gesellschaft massiv Liquidität entzogen wird.
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