Ein Beitrag von
Sabine Hirschmann-Menke
Partnerin bei MUNKERT & PARTNER
Diplom-Kauffrau, Steuerberaterin, Fachberaterin für Internationales Steuerrecht,
Landwirtschaftliche Buchstelle
Familienunternehmen werden gerne als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichnet, da sie einen hohen Anteil am volkswirtschaftlichen Umsatz erarbeiten und auch ein großer Anteil an Arbeitnehmern in Deutschland in einem Familienunternehmen in „Lohn und Brot“ steht.
Eine einheitliche Definition eines Familienunternehmens existiert nicht. Aber im Großen und Ganzen spricht man von einem Familienunternehmen, wenn sich ein Unternehmen
Jedes Mitglied der Familie kann mehrere unterschiedliche Rollen gleichzeitig besetzen.
Es ist zwar für ein Mitglied eines Familienunternehmens denkbar, sich aus dem Management- oder Gesellschafterkreis zurückzuziehen, aber die Verbindung zur Familie bleibt doch bestehen, da diese nicht „kündbar“ ist.
In einem Familienunternehmen kann jedes Mitglied einer Familie bis zu drei unterschiedliche Rollen gleichzeitig ausfüllen. Ein Familienmitglied kann gleichzeitig Verwandter, Gesellschafter und Manager in einem sein. Dass jede Rolle grundsätzlich ihre eigenen Interessen verfolgt, liegt in der Natur der Sache.
Aus dem Blickwinkel eines Familienmitglieds dürfte der Familienfrieden besonders wichtig sein. In der Rolle des Gesellschafters ist man an einer hohen Rendite/Ausschüttung aus dem Familienunternehmen interessiert; als Manager am Wachstum des Unternehmens und an der eigenen Karriere. Eine nicht zu unterschätzende Zerrissenheit in Entscheidungssituationen ist aufgrund dieser widerstreitenden Rollen in einer einzigen Person ein Dauerthema.
Die Frage „Was macht den Erfolg eines Familienunternehmens aus?“ kann vor diesem Hintergrund auch nicht eindimensional beantwortet werden. Es geht bei den Familienunternehmen nicht nur um den Profit aus dem Unternehmen. Ein Familienunternehmen ist erfolgreich, wenn die Erwartungen einer Rendite aus dem Unternehmen langfristig erfüllt werden und die Familie (trotzdem) gut funktioniert.
Familienfrieden
als wichtiges Gut.
Nur eine starke Inhaberfamilie kann auch ein langlebiges Familienunternehmen über mehrere Generationen hinweg bewahren. Die Inhaberfamilie muss immer wieder die Geschäftsmodellen hinterfragen, die Nachfolge erfolgreich meistern und sich selbst ständig kritisch durchleuchten, sonst kann sich auch ein Familienunternehmen nicht erfolgreich weiterentwickeln.
Dynamischer Gedanke.
Stetiger Wandel benötigt Veränderungen in den Geschäftsprozessen.
Eine strategische Neu-Ausrichtung ist alleine für sich betrachtet schon eine große Herausforderung an sich. Wenn aber erforderliche schnelle und wirksame Abstimmungsprozesse und Konfliktlösungsmechanismen nicht eindeutig und klar von der Familie festgelegt sind, wird es schwierig, eine Entscheidung, insbesondere eine schnelle Entscheidung, zu generieren. Insbesondere wenn sich die Familie nach der ersten Generation immer weiter verzweigt und sich die familiären Bindungen mit jeder neuen Generation weiter auflösen, erhöht sich die Gefahr, dass sich die Konflikte in der Anzahl und der Schärfe erhöhen und eskalieren.
Gerade in der aktuellen Zeit sind schnelle Veränderungen in den bisherigen Geschäftsmodellen erforderlich, sonst besteht die Gefahr, dass das Familienunternehmen als Existenzgrundlage für die Familie vom Markt verdrängt wird. Der Wandel ist schneller und radikaler als je zuvor.
Viele Familienunternehmen haben dies verstanden und haben bereits zum Teil schon über mehrere Generationen hinweg eine Familienverfassung, denn die Regeln der Gesellschaftsverträge sind für Familienunternehmen oft nicht ausreichend.
Eine funktionierende Familienverfassung schafft eine klare Rollenverteilung und entscheidungsfähige Strukturen. Sie stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Identifizierung mit dem Familienunternehmen. Die Familienverfassung kann somit als wertvolle Orientierung unter den Familienstämmen und Generationen dienen und für Klarheit und Sicherheit bei den oft strittigen Fragen der Nachfolge, Führung, Information und Kontrollfunktion sorgen. Sie kann somit ein geeignetes Instrument sein, um den Familienfrieden über Generationen hinweg so lange wie möglich zu bewahren.
Entscheidungsfähigkeit durch Familienverfassung.
Familienverfassung nimmt „Druck aus dem Kessel“.
Gerade in den aktuell wirren Zeiten ist eine bereits installierte und gelebte Familienverfassung „Gold“ wert. Die Familien haben sich in ruhigeren Zeiten ohne zeitlichen Druck ausreichend mit der Thematik auseinandergesetzt und sich auf gemeinsame Ziele und Werte verständigt. Nun können sie auf veränderte Marktsituationen wegen den bereits installierten Mechanismen schnell reagieren.
Hauptaufgabe einer Familienverfassung ist somit, die Familienmitglieder durch das gemeinsame Unterzeichnen
zu motivieren.
Die Familienverfassung ist ein wichtiges Instrument sowohl zur Etablierung fester Ordnungen und Strukturen in Familienunternehmen als auch zur Orientierung. Es ist aber regelmäßig kein juristisches Vertragswerk und somit rechtlich nicht bindend, sondern lediglich emotional verpflichtend. Ausnahmen sind hierbei jedoch denkbar.
In der Familienverfassung werden die familiären Vorstellungen von Unternehmertum als verbindliche Formulierung für die heutige und für die nächsten Generationen zusammengefasst. Das ist spätestens beim ersten Generationenwechsel sinnvoll, weil es dann nicht mehr nur die Alleinentscheider gibt, sondern Familienmitglieder mitunter mehrerer Familienstämme ins Spiel kommen. Und nicht jeder will oder darf operativ im Unternehmen mitarbeiten.
Leitplanken des gemeinsamen Handelns.
Identifikation mit dem Familienunternehmen.
Die Zielsetzung ist es, mit einer Familienverfassung mindestens ein moralisch bindendes Regelwerk zu erstellen, an dem sich das Handeln der Unternehmerfamilie orientieren soll und das gleichermaßen Leitplanken für das Management setzt. Zufällige oder durch Gewohnheit entstandene, aber nie kodifizierte Vorgehensweisen sollen durch konkrete, verbindliche und von allen Beteiligten getragene Regeln ersetzt werden. In der Familienverfassung klären und dokumentieren die Familienmitglieder ihr Verhältnis zum Unternehmen sowie untereinander und stellen Regeln auf, wie sie sich im Streitfall verhalten.
Die Praxis zeigt, dass Familienunternehmen mit einer Familienverfassung im Allgemeinen häufiger gemeinsame Familienaktivitäten organisieren und mehr in Family Education investieren. Sie sind im Schnitt auch zufriedener in Bezug auf den Familienzusammenhalt, die Identifikation mit dem Unternehmen, Führung, Kontrolle sowie die Stabilität im Gesellschafterkreis (emotionaler Mehrwert) und haben den Fortbestand über Generationen besser abgesichert. Untersuchungen belegen außerdem, dass Familienunternehmen mit einer Familienverfassung ökonomisch erfolgreicher sind.
Eine schematische Empfehlung für „die“ Familienverfassung kann es nicht geben, da jedes Familienunternehmen so individuell wie seine Mitglieder ist. Die zentralen Fragen sind aber die Gleichen:
Was ist gerecht zwischen den verschiedenen Generationen und zwischen den verschiedenen Familienstämmen?
Wie sind die Interessen der einzelnen Familienmitglieder und dem Unternehmen am besten „unter einen Hut“ zu bringen?
Auch die Frage der Rechtsqualität der Familienverfassung, rein moralisch oder (teilweise) rechtlich bindend, muss individuell beantwortet werden.
Familien sind, wie auch Familienunternehmen, vielfältig wie ein bunter Blumenstrauß.
Da sich die Familienmitglieder und auch das Umfeld des Unternehmens ständig verändern, sollten die vereinbarten Inhalte gelebt und in regelmäßigen Abständen von maximal fünf Jahren überprüft werden.
Festlegung der Kernfamilie.
Wenn in der Familienverfassung geregelt ist, wer Mitglied im Kreis der Gesellschafter sein darf und wer nicht, ist kein Raum mehr für weitere Diskussionen über die Mitgliedschaft. Dabei ist klar zu unterscheiden zwischen der Kernfamilie, der Unternehmerfamilie und der Frage, wer Gesellschafter ist bzw. werden kann. Als Kern- oder Ursprungsfamilie bezeichnet man die jeweiligen Lebenspartner und ihre Kinder.
Als Unternehmerfamilie werden all diejenigen Familienmitglieder bezeichnet, die sich zu dem Familienunternehmen und den dieses prägenden Werten bekennen. In der Regel sind das diejenigen Familienmitglieder, die auch die Familienverfassung mitunterzeichnen. Unternehmerfamilien mit mehreren Familienstämmen haben also auch mehrere Kernfamilien.
Nachfolgestrategie ist überlebenswichtig.
Wichtig ist auch, unter welchen Voraussetzungen neue Familienmitglieder in die Unternehmerfamilie aufgenommen werden und wann die Zugehörigkeit zur Unternehmerfamilie wieder verloren gehen kann. Dabei geht es nicht um Sympathie oder Antipathie, sondern darum, welche Inhalte und Informationen in welchen Runden besprochen und welche Entscheidungen von der Unternehmerfamilie getragen werden. Als Ergebnis der Diskussionen sollten die Kriterien sowohl für die Mitgliedschaft in der Unternehmerfamilie als auch für den Gesellschafterstatus festgehalten werden. Speziell in Bezug auf die Unternehmensnachfolge ist es sinnvoll, in der Familienverfassung eine schlüssige Nachfolgestrategie zu etablieren. Hierfür sollten Überlegungen zur Ausbildung und Vorbereitung potentieller Nachfolger angestellt werden. In der Familienverfassung können dann fachliche und persönliche Qualitätsanforderungen für Geschäftsführer wie Studienabschluss, Alter und Berufserfahrung festgelegt werden.
Notfallplan vorhanden?
Auch ein Notfallplan sollte in die Familienverfassung aufgenommen werden, damit im unerwarteten Nachfolgefall die Handlungsfähigkeit des Unternehmens gesichert ist.
Im Einzelnen sollte sich die Familie mit den folgenden Themenkreisen auseinandersetzen:
Im Folgenden wird auf die wichtigsten Themen näher eingegangen.
Das Selbstverständnis als Fundament für den Zusammenhalt im Familienunternehmen sind gemeinsame Werte und Ziele, die das Handeln aller am Familienunternehmen beteiligten Personen leiten. Ein gemeinsames Ziel und Wertegerüst helfen, Streit zu vermeiden und langfristigen Erfolg zu sichern. Die Kernfrage lautet: Wofür steht die Familie, welche Umgangsregeln pflegt sie und welche ungeschriebenen Gesetze gibt es? Bei Unternehmen mit einer langen Historie über mehrere Generationen lohnt es sich, auch einen Blick in die Vergangenheit des Unternehmens zu werfen. Woher kommen bestimmte Vorstellungen und Werte? Und welche Werte sind das? Oft geht es um Ehrgeiz und Respekt, um Fairness zwischen Familienmitgliedern, aber auch gegenüber Mitarbeitern, und um gesellschaftlich relevante Themen.
Auch die Rolle von einzelnen Familienmitgliedern in beratenden oder in überwachenden Organen des Unternehmens kann Gegenstand einer Familienverfassung sein.
Kommunikation und Konfliktmanagement innerhalb der Unternehmerfamilie sowie zwischen Unternehmen und Unternehmerfamilie ist oft ein Punkt in der Familienverfassung. Nicht selten ist es Wunsch, die Rolle von Ehepartnern zu reglementieren.
Kommunikations- und Konfliktmanagement als Erfolgsfaktor.
Jeder Gesellschafter muss darüber hinaus verantwortungsvoll mit seiner Rolle umgehen. Dafür sind z. B. Risiken aus ungeregelten Nachfolgethemen oder privaten Rechtsstreitigkeiten vom Unternehmen fernzuhalten. Die rechtliche Umsetzung dieser in der Familienverfassung eher qualitativ formulierten Themen bedeutet die Erstellung oder Überarbeitung von Eheverträgen, Pflichtanteilsverzichten sowie testamentarischen Verfügungen.
Themen wie finanzielle Unabhängigkeit sowie soziale und gesellschaftliche Verantwortung müssen klar und transparent für alle sein. Dabei stellt sich auch die Frage, wie mit dem Vermögen der Familie umgegangen werden soll: Was geht vor ‒ Familie oder Unternehmen?
Die Werte und Ziele der Familie in Bezug auf das Unternehmen konkretisieren sich in einer unternehmerischen Mission, die dem Management eine klare strategische Leitlinie vorgibt. Diese umfasst Erwartungen, gleichzeitig aber auch Zusagen an das Unternehmen durch die Gesellschafter.
Typischerweise wird dabei zwischen dem strategischen und dem operativen Bereich unterschieden. Während der operative Bereich in der Verantwortung des Managements liegt, haben die Gesellschafter bei den strategischen Fragestellungen die Entscheidungsgewalt. Dazu gehören die Wachstums- und Renditestrategie, eine ausgewogene, am Selbstverständnis der Unternehmerfamilie ausgerichtete Risikostrategie und eine in sich geschlossene Strategie für die nicht monetären Ziele der Unternehmerfamilie wie z. B. ein schonender Umgang mit der Umwelt.
Sowohl strategischen als auch operativen Bereich regeln.
Es gilt unter anderem, Vorgaben zu Ausschüttungen und der Eigenkapitalquote zu machen. Diese helfen, ein mögliches Dilemma zwischen einer wachsenden Zahl von Gesellschaftern und deren monetären Interessen auf der einen sowie dem Unternehmenswachstum und dem dafür erforderlichen Thesaurierungsbedarf auf der anderen Seite einvernehmlich zu regeln.
Vielfach unterschätzen Unternehmerfamilien den Effekt einer Familienverfassung für das eigene Unternehmen und die positive Wirkung auf Mitarbeiter, Großkunden, Lieferanten und auf Finanzierungspartner.
Durch eine Familienverfassung wird für alle Geschäftspartner eine klare Botschaft vermittelt. Es zeigt sich, dass die Unternehmerfamilie gemeinsam hinter dem Unternehmen steht und für seine Zukunft eine geordnete und klare Struktur sowohl auf Management- als auch auf Eigentumsebene im Blick hat.
Dynastischer Gedanke
verdient „Pflege“.
Dabei ist eine Familienverfassung ein dynamisch anzupassendes und lebendiges Leitwerk. Es ist zu empfehlen, die wesentlichen Inhalte in regelmäßigen Abständen und anlassbezogen im Geschäftsmodell zu überprüfen.
Sprechen Sie uns an, wir begleiten Sie gerne!
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